Warum Menschen keine Biografie schreiben, oder: das Märchen vom uninteressanten Leben

Warum Menschen keine Biografie schreiben, oder: das Märchen vom uninteressanten Leben

„Ich habe nichts zu erzählen.“ „Mein Leben ist nicht interessant genug.“ Und auch: „Person xy hat ein spannendes Leben, frag sie/ihn lieber.“ – Sätze, die ich manchmal zum Thema Biografien höre. Menschen haben das Gefühl, ihre Geschichte sei nicht unterhaltsam genug, um aufgeschrieben zu werden. Sie gingen zur Schule, sie heirateten, sie arbeiteten – fertig. Nichts Außergewöhnliches halt. Dahinter steht oft die Vorstellung, man müsse Beeindruckendes geleistet oder wenigstens erlebt haben, um sich für die Niederschrift des eigenen Lebens zu qualifizieren.

Aber: Dass jeder Mensch eine Geschichte hat, die festgehalten werden sollte, ist keine leere Floskel. Auch schreibt man eine Biografie nicht nur für andere, sondern genauso für sich selbst. Oft fällt es einem nicht mehr auf: die Entscheidungen, die rückblickend das eigene Leben geprägt haben; die Herausforderungen, die man überwunden hat; die Situationen, die einen geformt haben. Kurz: Die inneren und äußeren Weichen, die einen dorthin gebracht haben, wo man jetzt steht.

Eine Biografie kann helfen, diese Zusammenhänge, die auf den ersten Blick vielleicht keine sind, zu erkennen. Sie kann helfen, die eigene Entwicklung zu reflektieren und sich selbst besser zu verstehen. Manchmal bildet sie damit auch eine Grundlage, um die Zukunft zu gestalten.

Eine kleine Schreibeinladung

Um sich dem ein bisschen anzunähern, muss man nicht sofort sein gesamtes Leben chronologisch durchgehen. Wie bei vielen anderen Dingen reichen für den Anfang kleine Schritte. So kann man etwa über bestimmte Abschnitte oder auch einzelne Situationen, die einem spontan in den Sinn kommen, näher nachdenken und dabei Notizen machen. Vieles weitere kommt dann manchmal von selbst. Sinnvoll kann auch sein, sich ein paar Fragen zu stellen, die Brüche und Verbindungen betreffen, wie zum Beispiel:

  • Welche Träume und Interessen hatte ich früher? Was ist mir davon heute noch wichtig?
  • Haben diese Träume und Interessen mein Leben beeinflusst? Wenn ja, wie?
  • Wann gab es Wendepunkte und Umbrüche in meinem Leben? Habe ich sie selbst herbeigeführt oder kamen sie von außen? Wie habe ich danach weitergemacht?
  • Wie stand/stehe ich zum Zeitgeist oder zu gesellschaftlichen Entwicklungen im Laufe meines Lebens? Inwiefern hatten sie Auswirkungen auf mein Leben? Worüber bin ich diesbezüglich froh, was kritisiere ich? Wie ist mein persönlicher Vergleich von früher zu heute?

Die Scheu vor unangenehmem Terrain

Für manchen mag es etwas befremdlich und ungewohnt sein, sich so intensiv mit sich selbst zu befassen. Auch ist die Beschäftigung mit dem Vergangenen nicht unbedingt jedermanns Sache. Sie kann aber eine erhellende Reise sein, wenn man einmal beginnt und schaut, wo die Reflexionen einen hintragen.

Mitunter höre ich auch Aussagen wie: „Über manche Dinge will ich gar nicht reden.“ oder „Muss ich alles erzählen?“ Nein. In einer Biografie geht es nicht darum, alles zu dokumentieren – diese Vorstellung sollte nicht abschrecken, das Vorhaben überhaupt anzugehen. Die Entscheidung darüber, was hineinkommt und was nicht, liegt stets bei dem Menschen selbst.

Ein Leben als Zeitzeugnis

Bedenken, die eigene Biografie anzugehen, sind verständlich. Doch es lohnt sich – für einen selbst und für die Nachwelt. Denn die Interessantheit einer Lebensgeschichte setzt sich zusammen aus den alltäglichen Entscheidungen und Begegnungen, aus den Anekdoten und Beschreibungen, die gerade mit ihrer Detailtreue ein lebendiges Bild des eigenen Lebens und damit auch der jeweiligen Zeit zeichnen. Vieles davon ist so individuell, dass man es nicht in weiteren Quellen findet – und gerade deswegen für die Nachkommen von Bedeutung. Vor allem dann, wenn sie irgendwann nicht mehr fragen können.

Würden Sie gern Ihre eigene Biografie schreiben, aber benötigen Unterstützung? Dann lassen Sie uns sprechen.