
Tagebuch schreiben – Tipps fürs Dranbleiben
„Früher habe ich auch mal Tagebuch geschrieben.“ Der Satz kommt oft – meistens von Frauen –, wenn es um das Thema geht. Für viele war das Tagebuch ein Begleiter in Kinder- und Teenagertagen. Manchmal der einzige Ort, an dem die Verfasserinnen sagen konnten, was sie bewegte; an dem sie sich alles von der Seele schreiben konnten, ohne bewertet zu werden.
Meistens wurde dieser Ort irgendwann verlassen, weil er nicht mehr gebraucht wurde oder weil keine Zeit mehr da war. Oft auch, weil die Muße fehlte. Viele wissen nicht mehr, wo ihre alten Tagebücher überhaupt sind. Manche haben sie absichtlich vernichtet, damit sie niemand liest, oder weil ihr Inhalt aus der Welt verschwinden sollte. Ein paar Schreiberinnen haben das irgendwann bereut.
Die Hürden des (regelmäßigen) Schreibens
Tagebuchschreiben ist also oft mit dem Teenagerdasein verknüpft. Bei Erwachsenen spüre ich aber häufig noch eine Faszination dafür – dennoch machen es die wenigsten. In Gesprächen höre ich immer wieder Sätze und Fragen wie:
Ich habe nicht das Durchhaltevermögen. Wie machst du das?
Es stimmt schon, es ist ein bisschen wie Joggen. Es fällt leichter, wenn man einen Hang dazu hat oder einen bestimmten Grund. Dabei soll es aber nicht zur Pflichtübung werden – das Durchhalten sollte nicht das Ziel sein, sondern der Spaß an der Sache. Tagebuchschreiben um des Tagebuchschreibens Willen, das klappt meist nicht lange. Entsprechend muss man auch nicht jeden Tag hineinschreiben. Beispielsweise kann man sich ein niedrigschwelliges Pensum setzen, das man auf jeden Fall schafft, wie etwa eine halbe Stunde am Wochenende.
Manche Erlebnisse sind ohnehin zu außergewöhnlich, berührend, lustig oder überraschend, um sie nicht aufzuschreiben. Wer nicht regelmäßig seine Gedanken reflektieren will, der kann auch nur diejenigen Erlebnisse aufschreiben, die er oder sie auf keinen Fall vergessen will. Das ist auch eine Gelegenheit, um sich kreativ auszuprobieren. Der Gestaltung sind dabei kaum Grenzen gesetzt, was mich zu einer Frage führt, die mir tatsächlich einige Male so gestellt wurde:
Was soll ich da reinschreiben?
Ich bekomme manchmal den Eindruck, das Tagebuchschreiben müsste mit irgendeinem Zweck verbunden sein. Während man sich in jungen Jahren einfach hingesetzt und drauflosgeschrieben hat, denkt man als Erwachsener zu viel darüber nach. Vielleicht deswegen, weil wir beigebracht bekommen haben, dass man mit einem Text auf irgendetwas hinaus muss. Dabei geht es ja beim Tagebuchschreiben genau darum: Was geht in mir vor?
Man muss nicht logbuchartig jedes Detail des Tages festhalten – wobei das natürlich auch legitim ist. Thomas Mann hat Spaziergänge und Bestandteile seines Abendessens notiert.
Anlässe, um ins Tagebuch zu schreiben, können sein:
- Ich möchte über meinen Tag / mein Leben reflektieren
Die Vorstellung vom Tagebuchschreiben geht auch oft damit einher, dass dort nur Kummer und Negatives festgehalten werden würde. Es kann erleichternd wirken, sich Frust von der Seele zu schreiben – auch wenn es keinen Adressaten und keine Reaktion gibt.
Beschwingend ist aber auch, Erfolge und Schönes aufzuschreiben. Dazu gehören unter anderem vermeintlich kleinere Ereignisse. Das schärft die Wahrnehmung und gibt oft eine andere Perspektive.
 - Meine Lage ist unübersichtlich und/ oder ich muss eine Entscheidung fällen
Manchmal knubbelt das Leben so viele Baustellen auf einmal zusammen, dass es einen permanent unruhig macht, weil alles richtungslos in den Gedanken herumwabert. Sich im Tagebuch einer Sache nach der anderen zu widmen, bringt Struktur und Klarheit. Dabei geht es zunächst nicht darum, sofort Lösungen zu finden oder alles besonders durchdacht aufzuschreiben. Oft reicht es, wenn man alles einmal aufgeschrieben vor sich sieht.
Auch Entscheidungen können so entstehen. Gern werden dafür manchmal Pro- und Contra-Listen geführt. Sie berücksichtigen allerdings oft nicht, wie sich eine Richtung wirklich anfühlt, weil dann eher auf die rationalen Aspekte geschaut wird. Die jeweiligen Punkte in ganzen Sätzen und zusammenhängenden Absätzen genauer auszuführen kann helfen, eine innere Tendenz zu erkennen. Oft fallen einem dann auch noch Dinge auf, die zuvor keine Rolle gespielt haben.
 - Ich habe etwas erlebt, das ich nicht vergessen will
Ein Tagebuch kann auch als Sammlung für Erinnerungen fungieren. Vielleicht hatte man ein interessantes Gespräch mit jemandem, bei dem man verblüffende Gedanken oder Sichtweisen erfahren hat. Man will die verschiedenen Punkte nicht vergessen oder sogar im Tagebuch noch weiter darüber reflektieren. Gedanken formen sich anders je nachdem, ob man sie nur im Kopf behält oder konkret formuliert.
Auf Reisen oder in anderen ungewöhnlichen Situationen, in denen es viele neue Eindrücke gibt, kann einem ähnliches passieren. Wenn die Ereignisdichte zu hoch ist oder die Erlebnisse zu neu, braucht man mehr Kapazitäten, um sie zu verarbeiten. Vieles kann man dann irgendwann vielleicht nicht mehr richtig wiedergeben. Diese Eindrücke aufzuschreiben hilft nicht nur, sie zu dokumentieren, sondern auch, sie besser im Kopf zu behalten.
 
Es gibt also vielfältige Gründe im Hier und Jetzt, um Tagebuch zu schreiben. Eine legitime Motivation ist aber auch, etwas zu hinterlassen. Der eine oder andere schreibt mit der Nachwelt im Hinterkopf – auch wenn er oder sie keine Nachkommen hat. Aufbewahrt werden diese Tagebücher dann unter anderem im Deutschen Tagebucharchiv im baden-württembergischen Emmendingen oder in Österreich im Rahmen der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen an der Uni Wien.
Nicht zuletzt sind Tagebücher auch eine gute Erinnerungsstütze und Grundlage, um eines Tages seine eigene Biografie zu schreiben. Wenn Sie hierbei Unterstützung benötigen, dann schreiben Sie mir oder rufen Sie an.